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«Medien werden vielfältiger»

Interview - Peter Wanner ist Verleger und Verwaltungsratspräsident von CH Media. Über das Thema Fortschritt im Unternehmen und in der Gesellschaft äussert er sich im Interview.

«Medien werden vielfältiger»

Foto Thomas Pfann

Peter Wanner, Johann Wolfgang Goethe war der Meinung, dass wer nicht vorwärtsgeht, schliesslich zurückschreitet. Sind Sie mit ihm einverstanden?Als Unternehmer versucht man immer vorwärtszugehen, neue Ziele anzupeilen und sich zu entwickeln. Insofern stimmt es schon, dass Stillstand eine Art Rückschritt bedeuten kann. Trotzdem habe ich meine Erfahrungen gemacht – nicht zuletzt als Bergsteiger auf zahlreichen Touren –, dass es manchmal durchaus sinnvoll ist, stehen zu bleiben, einen Schritt zurückzugehen und vielleicht sogar einen Neustart zu wagen. Dies kann auch unternehmerisch gesehen wertvoll sein.

Schriftsteller und Satiriker Karl Kraus warnt, dass der Fortschritt aus Menschenhaut Portemonnaies macht. Könnte auch er recht haben?

In dieser Aussage steckt ein Körnchen Wahrheit. Für den geschäftlichen Erfolg spielt Gewinn meist eine grosse Rolle. In einem gesunden Mass ist dies förderlich und nötig für die Entwicklung und den Fortbestand eines Unternehmens. Ist eine Karriere aber zu stark auf das Geld ausgerichtet, besteht die Gefahr, dass eine Gier nach immer mehr Vermögen entsteht – oft zulasten anderer. Fortschritt im Sinn von Geldgier ist problematisch – um so mehr bin ich der Meinung, man sollte stets versuchen, auf dem Boden zu bleiben und eine Art Ethik der Bescheidenheit im Geschäftsleben zu entwickeln.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wiederum sagt, dass in einer sich so schnell verändernden Welt wie unserer jeder versagen wird, der nicht bereit ist, Risiken einzugehen. Wer hilft, wenn ein grosses Projekt komplett schiefläuft?

Mark Zuckerberg hat schon recht: Ohne Risiko geht’s nie vorwärts. Die Frage stellt sich aber, wie weit man mit den Risiken gehen soll. Wie viel steht auf dem Spiel, geht’s um alles oder nichts? Meine Erfahrung ist die, dass sich nur das kalkulierte Risiko langfristig ausbezahlt. Reserven sind unabdingbar, vor allem dann, wenn man einen Misserfolg verkraften muss. Ich habe in meinem Leben viele wichtige Entscheide getroffen und bin zahlreiche Risiken eingegangen – eine «all in»- Strategie, wo man alles auf eine Karte setzt, kam aber für mich nie in Frage. Geht in der Schweiz ein Unternehmer pleite, ist er gesellschaftlich leider derart diskreditiert, dass er sich davon kaum mehr erholt. Da gilt man schnell als Verlierer, als einer, der es nicht geschafft hat. Also heisst es aufpassen.

An welche Momente des Fortschritts in Ihrem Leben denken Sie gerne zurück?

In geschäftlicher Hinsicht haben mich die Zusammenschlüsse von Unternehmen sehr glücklich gemacht. Zuerst die Fusion des «Badener Tagblatts» mit dem «Aargauer Tagblatt» 1996, dann die Zusammenführung der AZ Medien und der NZZ Regionalmedien 2018. Aus beiden Fusionen sind wir gestärkt hervorgegangen und haben uns damit den Weg in die Zukunft sichern können. Ich bin froh, dass diese beiden Vorhaben geglückt sind und sich als gute Strategie erwiesen haben. Ich hätte damals mit dem «Badener Tagblatt» auch einfach weitermachen und in der lokalen Nische verharren können. Aber ich hatte andere Pläne, wollte den nächsten Schritt machen und wollte wachsen.

CH Media hat eine bewegte Zeit hinter sich: Die erwähnte Fusion der AZ Medien mit den NZZ Regionalmedien 2018, aber auch die Corona-Pandemie. Welches Fazit ziehen Sie nach diesen turbulenten Jahren?

Ich darf sagen, als Unternehmen haben wir die Covid-Krise bis jetzt erstaunlich gut überstanden. Klar gingen die Umsätze im Werbemarkt zurück und es herrschte überall viel Unsicherheit. Dennoch ist das Resultat nach den vergangenen zwei Jahren besser als erwartet. Dazu beigetragen hat in erster Linie der engagierte Einsatz aller Mitarbeitenden, die trotz Homeoffice und anderer Einschränkungen sehr gute Arbeit geleistet haben. Dann hat uns auch die Kurzarbeit-Regelung geholfen und schliesslich befanden wir uns sowieso in einem Sparmodus wegen der in die Wege geleiteten Fusion. Interessant zu beobachten war während Corona auch die höhere Nachfrage nach fundierten Informationen, sowohl bei den Print- als auch bei den elektronischen Medien.

«Ich habe in meinem Leben viele wichtige Entscheide getroffen und bin zahlreiche Risiken eingegangen – eine ‹all in›-Strategie kam aber für mich nie in Frage.»

Peter Wanner Verleger und Verwaltungsratspräsident von CH Media

Ist die Fusion von AZ Medien und NZZ Regionalmedien abgeschlossen?

Zu etwa 80 Prozent. Die Pandemie hat uns etwas gebremst beim Vorhaben, als Unternehmen zusammenzuwachsen. Das gemeinsame Kennenlernen war erschwert. Jetzt wollen wir vorwärtsmachen und eine einheitliche Unternehmenskultur etablieren.

Glaubt man in solchen Momenten unablässig an den Fortschritt oder gibt es Tendenzen zum Bewahren oder für Schritte zurück?

Krisen haben immer Auswirkungen, sie beeinflussen die Wirtschaft, die Gesellschaft. Corona war eine solche Situation, der Krieg in der Ukraine ist momentan eine solche Bedrohung, die uns in vielen Lebensbereichen beschäftigt. In diesen Momenten ausruhen und zurückblicken wäre schön – leider geht das nicht. Stete Veränderungen bestimmen unser Leben, Wandel ist das Kennzeichen unserer Zeit.

Eine starke Tendenz in der Medienlandschaft ist die Verlagerung von der analogen zur digitalen Form. Entspricht dieser Prozess dem Fortschritt oder gibt es auch Bereiche, wo bei Qualität oder Quantität Kompromisse gefordert sind?

Dem Verlagerungsprozess vom Analogen zum Digitalen kann man sich nicht entziehen. Die Medien werden vielfältiger und es kommen mit den sozialen Medien immer neue Formen dazu. Durch diese Vielfalt entsteht eine Fragmentierung der Gesellschaft – die einen fordern ausführliche und fundierte Informationen, die andern geben sich mit einfachen und oberflächlichen Inhalten zufrieden. Diese Unterschiede gab es früher auch schon. Die Entscheidung liegt letztlich bei den Konsumenten – die Anbieter sind aber gefordert. Insofern hoffe ich, dass Qualität weiterhin gefragt ist und sie bei unseren Medien erhalten bleibt.

Viele Medienkonsumenten wollen selbst bestimmen, wann und was sie lesen und vor allem anschauen wollen. Streamingplattformen sind beliebt. Was passiert mit dem linearen, programmierten TV?

Beim Fernsehen ist es ähnlich wie bei den Zeitungen: Man bestimmt selbst, wann, wo und was man lesen oder schauen will. Traditionelles Fernsehen wird nach wie vor viel genutzt, allerdings mit der Möglichkeit, Sendungen aufzuzeichnen und zur gewünschten Zeit zu schauen. Dazu kommen die Angebote von Streamingplattformen, wie zum Beispiel oneplus von CH Media. Die Mediennutzung entspricht je länger, je mehr einem Mix aus allen verfügbaren Kanälen und Formen – Onlinezeitungen und -portale, TV- und Streamingdienste, Radios und Social-Media-Kanäle.

Kaum jemand ist noch ohne Smartphone unterwegs und nicht ständig erreichbar. Auch Medieninhalte stehen rund um die Uhr zur Verfügung. Errungenschaft und Bürde zugleich?

Immer und überall informiert zu sein ist ein technischer Fortschritt und wird von der Gesellschaft auch verlangt. Ob es die pausenlose Informationsflut braucht, ist eine andere Frage. Früher erhielt man mit den Zeitungen und den Nachrichtensendungen eine geballte Ladung Neuigkeiten gebündelt auf einmal, heute tröpfeln die News ununterbrochen herein. Manchmal tut es ganz gut, für ein paar Stunden den Computer und das Smartphone einfach auszuschalten. Allzu viel verpassen wird man dabei nicht.

Das Leben schreitet unaufhaltsam fort. Wohin führt der Weg von CH Media?

Wir verfolgen eine klare Vorwärtsstrategie, wollen uns in allen Bereichen noch besser etablieren – Print, online, Radio und Fernsehen –, und vor allem wollen wir auch den regionalen Journalismus stärken. Zudem steht ein Generationenwechsel bevor, meine Söhne werden vermehrt Verantwortung bei CH Media übernehmen.

Und welches sind Ihre persönlichen Pläne?

Ab und zu rät man mir schon, ein wenig kürzerzutreten. Aber ich fühle mich fit und motiviert, als Verleger und CH Media-Verwaltungsratspräsident weiterzumachen. Um das operative Geschäft kümmere ich mich nicht mehr, so dass auch genug Zeit bleibt, Sport zu machen, zu lesen oder gelegentlich zu reisen. Langweilig wird es mir auf jeden Fall nicht! Interview Thomas Pfann
  

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