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«Ich bin gewissermassen ein Heimwehzürcher»

Interview Bei der Konzipierung und Herstellung von Schienenfahrzeugen ist Stadler mit Sitz im schweizerischen Bussnang führend. Peter Spuhler leitet das Unternehmen und erläutert seine Sichtweise zu den Themen Fortschritt und Entwicklung.

«Ich bin gewissermassen ein Heimwehzürcher»

Peter Spuhler, welches Ereignis bezeichnen Sie als Moment des Durchbruchs in Ihrem Leben?Da gab es einige prägende Momente. Zum Beispiel, als wir Mitte der 1990er-Jahre unseren ersten Gelenktriebwagen entwickelt hatten und damit während sechs Monaten in ganz Europa unterwegs waren, um das Fahrzeug zu präsentieren. Gerne denke ich auch zurück ans Jahr 2000, als wir unser erstes Werk ausserhalb der Schweiz gebaut haben und uns in Europa und den USA etablieren konnten. Aber es gibt auch viele Ereignisse in meinem Leben, die mich geprägt haben: die Zeit als Eishockeyspieler und Captain beim Grasshopper-Club Zürich oder als Kommandant der Gebirgsgrenadierkompanie in der Schweizer Armee. Dabei stand stets der Teamgeist im Vordergrund, was mir für die Führung eines erfolgreichen Unternehmens sehr viel mitgegeben hat.

Sie haben Stadler 1989 übernommen – mit damals 18 Mitarbeitenden. Hatten Sie damals schon das klare Ziel vor Augen, einer der weltweit grössten Schienenfahrzeugbauer zu werden?

Nein, ein Wachstumsziel hatte ich nie definiert. Für mich war immer klar, dass Qualität schliesslich zum Erfolg führen wird und sich das Wachstum dabei ganz automatisch einstellt. Wir wollten immer schon die besten Schienenfahrzeuge bauen, um mit ihnen auf dem Markt zu überzeugen. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen und nach dem Betriebswirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen (HSG) standen keine persönliche Mittel zur Verfügung, um ein Unternehmen aufzubauen oder zu übernehmen. In der Stadler Rail AG war ich bereits ab 1987 operativ tätig und konnte den Betrieb schliesslich durch die Finanzierung der Thurgauer Kantonalbank 1989 übernehmen.

Welche Wachstumsstrategie streben Sie heute an, wohin soll die Reise führen?

Die Grösse unseres Unternehmens ist gut. Wir sind ja hauptsächlich im Projektgeschäft tätig und verstehen uns nicht als reines Produktionsunternehmen. Bei uns spielt die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eine Rolle. Viele unserer Fahrzeuge passen wir kundenspezifisch an und richten uns nach den örtlichen Begebenheiten. Und immer stehen Qualität und Pünktlichkeit an erster Stelle, in diesen Bereichen wollen wir wachsen. Eine Wachstumsstrategie um der Grösse Willen gibts also nicht.

Muss man sich jeden Tag weiterentwickeln und verbessern, um erfolgreich zu sein?

Technischer Fortschritt spielt schon eine wichtige Rolle, mit konsequenter Fachkompetenz kommen wir weiter. Zum Beispiel ist die Energieeffizienz im Schienenverkehr ein zentrales Thema, darauf achten wir besonders und wir investieren viel in diese Entwicklung. Nur mit einem hohen Stand der Technik ist es uns möglich, Anbieter mit billigeren Produkten hinter uns zu lassen.

Treibt nur der Fortschritt die Menschheit an – oder braucht es dazu weitere wichtige Lebensaspekte?

Fortschritt ist eine wesentliche Triebfeder für die Wirtschaft – und für die Gesellschaft ganz allgemein. Stillstand bedeutet Rückschritt, davon bin ich überzeugt. Regelmässiges Hinterfragen von Entscheidungen und Handlungen empfinde ich aber als genauso wichtig.

Es gibt Stimmen, die vor allzu schnellem Wachstum und Fortschrittsdenken warnen. Teilen Sie diese Bedenken?

Wichtig ist, dass man den Fortschritt akzeptiert. Er lässt sich nicht aufhalten, das Rad zurückzudrehen funktioniert nicht. Für eine erfolgreiche Entwicklung des Staates und der Gesellschaft brauchen wir den Fortschritt und einen finanziell gesunden Staat. Trotzdem sage ich: Wachstum ja, aber nicht auf Kosten anderer und nicht zu Lasten der Umwelt. Hier muss man die richtige Balance einhalten.

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Die neue Limmattalbahn auf einer Testfahrt durch Dietikon. Bild: ava

Gibt es Bereiche im Leben, wo Sie der technischen oder gesellschaftlichen Entwicklung nicht auf Schritt und Tritt folgen?

Ja. In der Social-Media-Welt finden Sie mich nicht. Da gibt es von mir keine Bilder und Geschichten, auch nicht von meiner Familie. Diesem Credo bin ich auch während meiner Zeit als Nationalrat gefolgt. Dabei ist mir auch bewusst geworden, dass ich nicht an jeder «Hundsverlochete» dabei sein muss und ich mir lieber genug Zeit für mich und meine Familie einplane. Wenn es allerdings um die Firma geht, bin ich fast immer erreichbar.

Welche Art von Fortschritt schätzen Sie mehr? Denjenigen, der zu schnellen Ergebnissen führt, oder jenen, der sich erst nach einer gewissen Zeit zeigt?

Kurzfristige Erfolge und schnelle Gewinne – davon halte ich nicht viel. Wir setzen bewusst auf Langfristigkeit und investieren in die Zukunft. Dieses Vorgehen hat sich bewährt und daran werden wir auch festhalten. Gewinne zu machen um jeden Preis erachte ich als ungesund. Leider wird das kurzfristige Quartalsdenken durch die Finanzanalysten massiv forciert.

Bezüglich öffentlichem Verkehr gilt die Schweiz als vorbildlich, auch wegen der hochwertigen Züge. Welche Kriterien zu Funktionalität und Fahrkomfort stehen für Sie an erster Stelle?

In den 1990er-Jahren und Anfang der 2000er standen die Fahrgäste stark im Fokus. Die Züge wurden mit Klimaanlagen ausgestattet, Niederflureinstige setzten sich durch. Jetzt hiess es nicht mehr in den Wagen «einsteigen», sondern «eintreten» – auf gleicher Höhe wie das Perron. Diese Verbesserungen sind geblieben, heute spielen dazu Energieeffizienz und Life-Cycle-Costs, die sogenannten Lebenszykluskostenrechnung, massgebende Rollen. Bei nationalen und internationalen Ausschreibungen sind diese besonders wichtig.

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Peter Spuhler leitet Stadler seit über 30 Jahren erfolgreich. Bild: zvg


Ende 2022 nimmt die Limmattalbahn LTB ihren Betrieb auf, mit acht Strassenbahnen der Stadler Rail AG. Müssen Fahrzeuge, die im hektischen Stadtverkehr unterwegs sind, über besondere Eigenschaften verfügen?

Bei der Limmattalbahn beträgt der Niederfluranteil hundert Prozent, das Ein- und Austreten erfolgt immer auf einer Ebene. Die Fahrzeuge müssen zudem sehr robust gebaut sein, damit sie das ständige Anfahren und Abbremsen verkraften können. Die Belastung ist hoch, zum Beispiel bei den Türen, die beinahe im Minutentakt auf- und zugehen. Und schliesslich stellt das hohe Passagieraufkommen im Stadtgebiet eine besondere Herausforderung der Bahnen dar.

Die «Tramlinks» – so heissen die Fahrzeuge der LTB – werden bei Stadler Rail AG in Valencia gefertigt. Warum nicht in der Schweiz?

Das Werk von Vossloh Rail Vehicles in Valencia haben wir per 1. Januar 2016 übernommen. Die dort produzierten Fahrzeugtypen wie der «Tramlink», die nun für die LTB fahren werden, und der «Citylink», eine Zug-Tram-Kombination, existierten schon länger in der Produktpalette des Herstellers. Beide Fahrzeuge sind sehr beliebt, zum Beispiel haben wir vor kurzem einen Rahmenvertrag über 504 Citylink gewonnen und zusätzlich einen weiteren Auftrag über 20 weitere Citylink aus Chemnitz erhalten.

Für das Limmattal bedeutet die LTB ein wichtiger Schritt in die Zukunft. Wie gut kennen Sie die Region zwischen Zürich und Baden?

Sehr gut! Ich bin in der Stadt Zürich aufgewachsen, habe viele Jahre beim Grasshopper-Club Zürich Hockey gespielt, heute bin ich Vizepräsident der ZSC Lions. Und jetzt haben wir ja in Zürich-Altstetten das neue Stadion gebaut. Obwohl ich im schönen Kanton Thurgau zu Hause bin, schlägt mein Herz noch immer für die Limmatstadt. Ich bin gewissermassen ein Heimwehzürcher. (tp)

Peter Spuhler

Peter Spuhler, 1959 in Spanien geboren, wuchs in Zürich auf. Mit sechs Jahren begann er seine 20-jährige Eishockeykarriere. Peter Spuhler studierte Betriebswirtschaft an der Universität St.Gallen und setzte sich als Kommandant der Gebirgsgrenadiere für die Schweizer Armee ein. 1987 übernahm Peter Spuhler die Führung der Stadler-Fahrzeuge AG und kaufte 1989 die Firma, welche er in den folgenden Jahren zu einem international erfolgreichen Schienenfahrzeughersteller aufbaute. Heute macht Stadler einen kontinuierlichen Umsatz von knapp 4 Milliarden Franken mit über 13000 Mitarbeitenden. 1999 wurde er für die SVP Thurgau in den Nationalrat gewählt. Ende 2012 trat er zurück. Peter Spuhler ist VRP der Stadler Rail AG sowie Vizepräsident der ZSC Lions. (zvg)

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